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Schulabsentismus durch zurückhalten

Zurecht drängt sich womöglich die Frage auf, warum jemand sein Kind vom Schulbesuch zurückhalten sollte. Es scheint nicht verständlich vom Standpunkt der meisten Menschen, dass diese Form des Schulabsentismus existiert. 

Sie kommt, verglichen mit den anderen Absentismusformen, eher selten vor und macht Lehrkräfte oft erstmal hilflos, da sie sich nicht wie üblich auf die Zusammenarbeit mit dem Elternhaus verlassen können. Das Elternhaus teilt entweder nicht die Werte der Schule oder hat aufgrund eigener Probleme nicht die Ressourcen, ohne die Unterstützung des Kindes den Alltag zu bewältigen.  

Eine Kooperation mit den Eltern lässt sich oft auch nicht durch aktives Werben herstellen.

Wenn sich die Frage nach der Verantwortung für den Absentismus stellt, ist sie hier noch am ehesten den Eltern zuzuweisen. 

Diese Absentismusform ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind keine eigenen Hinderungsgründe für den Schulbesuch hat und durch bestimmte Gegebenheiten in der Familie daran gehindert wird.

Hier ist es allerdings wichtig zu erwähnen, dass  Absentismus durch Zurückhalten selten in der Reinform vorkommt. Oft taucht er als Mischform auf, z.B. mit Schulschwänzen oder Ängsten. In diesen Fällen haben sowohl die betroffenen Kinder als auch die Eltern ein Interesse am Absentismus. Das macht es aufgrund von Widerständen sehr schwer, in diesen Fällen zu arbeiten.

– Das Kind hat keine Angst vor der Schule und würde diese in der Regel gern besuchen

– Die Umstände in der Familie sind desolat bzw. die Kinder müssen zur Aufrechterhaltung des Alltags einen übermäßigen Beitrag leisten oder geprägt von Dominanz in der Durchsetzung elterlicher Vorstellungen

– Hintergrund sind chronische oder psychische Erkrankungen und Suchtproblematiken von Eltern, kulturelle oder religiöse Differenzen, eigene schlechte Schulerfahrungen und eine schulkritische Haltung der Eltern, Kinderarbeit sowie die Verdeckung von Misshandlungen

– Oft legen Eltern auch nicht viel Wert auf schulische Bildung oder finden die Schulpflicht zu lang (Nähere Ausführungen siehe Tabelle unten)

Gründe für Zurückhalten
Gleichgültigkeit gegenüber schulischer Ausbildung des Kindes dem Kind wird freigestellt, zur Schule zu gehen, oft vor dem Hintergrund eigener negativer Schulerfahrungen
Kulturelle Differenzen zugewanderte Eltern erachten die Schulpflicht als unangemessen lang (z. B. für Mädchen)
Beeinträchtigung und Krankheit psychische Erkrankungen, Drogenabhängigkeit oder Alkoholismus der Erziehungsberechtigten bedingen erzieherische Insuffizienz
Kinderarbeit Schüler arbeiten auch während des Vormittags, müssen u. U. zum Unterhalt der Familie beitragen, im Haushalt helfen oder Geschwister beaufsichtigen
Religiöse Differenzen Biologie- oder Religionsunterricht wird als unvereinbar mit der eigenen Auffassung angesehen
Schulkritische Haltung der Erziehungsberechtigten Schule wird allgemein als schädlich für das Kind eingeschätzt
Missbrauch, Verwahrlosung Verletzungen sollen verborgen oder Aussagen des Kindes verhindert werden

Quelle: Ricking, 2016