Schulphobie ist eine sehr spezielle Form von Schulabsentismus. Die Kinder sind in der Regel im Grundschulalter und die Ängste, die sie vom Schulbesuch abhalten, sind eng mit den Eltern und der familiären Situation verknüpft. Die Arbeit mit den Kindern ist daher gewissen Einschränkungen unterworfen. Umso wichtiger ist die Herstellung einer tragfähigen Kooperation mit den Eltern.
Das Gespräch mit einem schulphobischen Kind sollte darauf ausgerichtet sein, dem Kind viel Sicherheit zu vermitteln und deutlich zu machen, dass Eltern und Lehrkräfte zusammenarbeiten, damit es wieder in die Schule gehen kann, auch wenn man weiß, dass das Kind Angst und Beschwerden hat. Dennoch kann man auch mit dem Kind unterstützend sprechen.
Wichtige Aspekte beim Gespräch mit Schülerinnen und Schülern mit einer Schulphobie
- Lassen Sie sich kurz das Problem beschreiben. Wenn kein Grund genannt werden kann, fragen Sie nicht weiter nach. Nicht alle Schüler*innen können einen Grund benennen, gerade bei Schulphobie gibt es nur einen diffusen Druck oder somatische Symptome.
- Versuchen Sie nicht, Einsicht bei dem Schüler/ der Schülerin zu erzwingen.
- Zeigen Sie Verständnis für das Problem, aber nicht für den Absentismus: „Ich verstehe, dir geht es dann sehr schlecht! Aber ich traue dir zu, das zu überstehen und wir helfen dir dabei.“ Nehmen Sie gerade bei Wiedereingliederungen nach längerer Abstinenz das Auftreten von Schwierigkeiten vorweg. (Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken, 2015)
- Betreiben Sie weder Bagatellisierung „Ist doch nicht so schlimm!“ noch Dramatisierung „Das ist bestimmt ganz furchtbar für dich!“
- Nutzen Sie Skalierung als eine Möglichkeit, neutral über Emotionen wie z.B. Angst zu sprechen: „Wenn du in die Schule gehst, wo ist die Angst auf einer Skala von 1-10? Wo ist sie am Morgen beim Aufwachen? Wo nach der zweiten Stunde?“
- Nutzen Sie das Mittel der Beruhigung, auch wenn Sie die Probleme ernst nehmen – „Ja, das kommt manchmal vor, dass ein Kind oder Erwachsener Schwierigkeiten hat – das wird auch wieder anders!“
- Belassen Sie es nicht nur bei Worten. Machen Sie Angebote, die betroffenen Schüler*innen beim Schulbesuch zu unterstützen (z.B. ein Kuscheltier mit in die Schule bringen dürfen oder Mitschüler*innen, die das Kind am Tor abholen).
- Sondieren Sie gemeinsam mit dem Kind Hilfsmöglichkeiten: „Wer oder was könnte dir dabei helfen? Wie?“ Bei dieser Frage darf man allerdings nicht zu viel erwarten, nicht immer kann das Kind eigene Vorschläge machen. Aber die meisten Kinder können sich zu Hilfsvorschlägen äußern.
- Fragen Sie nicht, ob der Schüler/ die Schülerin zur Schule gehen möchte oder nicht. Es gibt eine Schulpflicht, die Frage stellt sich also nicht.
- Versuchen Sie nicht, den Schüler/ die Schülerin davon zu überzeugen, dass Schule ein guter Ort ist und dass Schulbesuch eine gute Sache ist. Das wird ggf. anders erlebt.
- Informieren Sie den Schüler/ die Schülerin über die von den Erwachsenen geplanten Maßnahmen.
- Beteiligen Sie das Kind, soweit wie möglich, z.B. was die Sprachregelung in der Klasse oder die Aufarbeitung des versäumten Lernstoffs etc. Nur über den Schulbesuch an sich wird nicht diskuttiert.
Gesprächsführung mit Eltern von absenten Schülerinnen und Schülern
Auch für Gespräche mit Eltern gilt, dass ein ordentliches Maß an professioneller Empathie das Gespräch erheblich erleichtern kann. Deshalb ist es sehr wichtig, sich vorab mit der Situation der Eltern auseinanderzusetzen, deren Kinder nicht zur Schule gehen. Explizit seien auch hier die Eltern ausgeschlossen, die ihre Kinder vom Schulbesuch fernhalten. Auch hier ist es natürlich wichtig, empathisch zu sein, aber der Aspekt der Normverdeutlichung und Grenzsetzung spielt in den Gesprächen diesen Eltern eine größere Rolle.
Eltern von absenten Schüler*innen haben zahlreiche negative Gefühle vor Schulgesprächen
Es liegt auf der Hand, dass Eltern sich für das Verhalten ihrer Kinder verantwortlich fühlen. Das gilt in der Regel auch für Eltern, die ihre Verantwortung explizit negieren, indem sie das Kind für alt genug und selbst verantwortlich befinden. Verbunden mit dieser Verantwortung ist oft ein Gefühl von Schuld und Versagen angesichts der Schwierigkeiten des Kindes. Auch das Gefühl von Hilflosigkeit ist für Eltern schwer auszuhalten. Diese Gefühle führen zuweilen dazu, dass Eltern als Abwehr gegen diese unangenehmen Gefühle auf Angriff schalten und wiederum die Schule beschuldigen. Eine bessere Chance für einen günstigen Verlauf besteht in einer annehmenden respektvollen Haltung den Eltern und ihren Grenzen gegenüber. Aus dieser Haltung heraus kann eine größere Offenheit der Eltern und damit auch eine Bereitschaft zur Annahme von Hilfen erreicht werden.
Eltern von absenten Schülerinnen schämen sich oft
Wenn das Kind Probleme hat, sind Eltern immer im Fokus. Sie müssen sich nicht selten sehr private Fragen stellen lassen, deren Beantwortung zwar hilfreich sein kann, um die Strukturen und Interaktionsmuster des Absentismus zu verstehen, aber für die Eltern schambehaftet ist. Es braucht ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl und Geduld, aber auch Respekt vor der Privatsphäre der Eltern seitens der Lehrkraft, um ein gutes Miteinander zu gestalten
Eltern von absenten Schüler*innen wollen das Gefühl haben, dass es ihrem Kind in der Schule gut geht
Gerade bei Kindern mit einer Schulangst ist es sehr wichtig, Eltern davon zu überzeugen, dass die Schule für die Sicherheit und das Wohlbefinden ihres Kindes Sorge trägt. Eltern begegnen Lehrkräften manchmal mit Wut und Anschuldigungen. Eine professionelle Gestaltung gerade auch solch schwieriger Gespräche, z.B. durch entsprechende Unterstützung durch weitere Akteure, ist entscheidend für die weitere Zusammenarbeit.
Wichtige Aspekte beim Gespräch mit Eltern von absenten Schüler*innen
- Erfahrungsgemäß braucht ein gutes Gespräch ausreichend Zeit und einen geeigneten Raum, in dem man ungestört sprechen kann. Sorgen Sie dafür, dass beides vorhanden ist.
- Wenn Sie Eltern für ein Gespräch gewinnen konnten, achten Sie auf die gleichmäßige Verteilung der Redeanteile. Was die Eltern zu sagen haben, ist gerade für die Erkundung der Ursachen und Bedingungen rund um den Absentismus wichtig. Deshalb sollten die Eltern dafür ausreichend Raum bekommen.
- Auch eine gute Aufbereitung der Faktenlage ist wichtig (wann fehlt der Schüler, wie oft, in welchen Stunden…). Grundsätzlich gilt: je mehr über den Schüler bekannt ist, desto besser (Position in der Klasse, Leistungen in verschiedenen Fächern, familiäre Situation. (Kultusministerium Hessen, 2017)
- Würdigen Sie die Eltern als Experten für ihr Kind. Fragen Sie die Eltern nach ihrer Sicht der Dinge und ihren Hypothesen
- Suchen Sie nach einer gemeinsamen Sichtweise und Hypothesen über zugrundeliegende und auslösende Faktoren. Es ist zentral, eine gemeinsame Sichtweise auf das Problem entwickeln, statt sich gegenseitig Schuld zuschieben. Grundsätzlich, aber vor allem wenn sich keine Gemeinsamkeit herstellen lässt, ist eine ziel- und lösungsorientierte Arbeit der Ursachen- Problem- Fokussierung vorzuziehen (Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken, 2015)
- Wenn Gespräche mit Eltern schwierig zu werden drohen, lohnt es sich, die Schulsozialarbeit, Beratungslehrer oder Schulpsychologischen Dienst einzuschalten.
- Halten Sie im Gespräch die Balance zwischen Konfrontation mit Fakten, Empathie und Unterstützungsangeboten (Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken, 2015), falls Eltern den Absentismus ambivalent sehen.
- Psychoedukation ist bei Schulphobie ein nützliches Instrument, am besten aber in Zusammenarbeit mit Fachleuten umzusetzen (Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken, 2015). Eltern haben oft die Idee, dass es eine Lösung gibt, wie ihr Kind die Schule besuchen kann, die dem Kind nicht weh tut, keinen Druck verursacht und die Angst „nimmt“ (Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken, 2015) Dem mit einer fachlichen Einschätzung bezüglich Angstbewältigung und der Gefahr der Chronifizierung zu begegnen kann Eltern dazu bringen, ihre Ambivalenz zugunsten einer kraftvollen zielorientierten Arbeit aufzugeben.
