Gespräche mit Eltern und Kind

Gespräche mit schulabsenten Schülerinnen und Schülern führen

Die Grundlage einer guten Gesprächsführung ist Empathie. Zu verstehen, was die Schüler*innen bewegt, was seine Sorgen sind und was sie oder er braucht, ist entscheidend für ein gelingendes Gespräch.

 

Der absente Schüler/die absente Schülerin hat gemischte Gefühle, was den Schulbesuch angeht

Unabhängig davon, ob Angst, Unlust oder Lernprobleme dem Schulbesuch im Wege steht, können Sie davon ausgehen, dass im Inneren des Schülers/der Schülerin ein Konflikt besteht. Der Druck, zur Schule zu gehen, existiert selbst bei sehr unmotivierten Schülerinnen und Schülern nicht nur von außen, sondern auch im Inneren. Gehen Sie davon aus, dass der Schüler/die Schülerin ein gutes und erfolgreiches Leben führen will und dass der Schulbesuch von den Allermeisten als eine wesentliche Voraussetzung dafür erachtet wird. Der Grund dafür, dass Schülerinnen und Schüler diese schulnahen Anteile leugnen, ist oft ein Mangel an Zuversicht und Vertrauen in die Möglichkeit des Erfolgs. Die Nachteile des Schulabsentismus und die positiven Gefühle zum Schulbesuch gilt es sensibel herauszuarbeiten. Dazu eignet sich z.B. die Methode der Motivierenden Gesprächsführung (siehe „Motivierende Gesprächsführung“ unten).

 

Der absente Schüler/die absente Schülerin hat oft ohne Unterstützung keine Möglichkeiten, etwas an seiner/ihrer Situation zu ändern. Der Schulabsentismus ist seine/ihre Lösung für ein Problem.

Der Schulabsentismus ist für den betroffenen Schüler/die betroffene Schülerin oft ohne Unterstützung nicht allein zu lösen. Der Schulabsentismus stellt also einen Lösungsversuch dar, z.B. kann er ein Selbstschutz gegen Misserfolge, eine Rückzugsmöglichkeit angesichts von Bindungslosigkeit und sozialer Isolation und eine Lösung für die empfundene Sinnlosigkeit des Lernens vor allem angesichts anderer Lebensprobleme sein. Das betroffene Kind benötigt Unterstützung von Erwachsenen in unterschiedlichster Form (Motivation, Ermutigung, Beziehung, Strukturierung, Begleitung, Klarheit…), um zu erkennen, dass der Lösungsversuch einen hohen Preis hat und es andere Möglichkeiten gibt.

Der Absentismus ist nicht das einzige und womöglich nicht mal das größte Problem des betroffenen Schülers/der betroffenen Schülerin. Er ist eher ein Symptom für andere Probleme.

Fast immer liegt mindesten eine weitere Problematik vor, die mit dem Schulabsentismus im Zusammenhang steht. Die Facetten sind vielfältig. Es sind Familienprobleme, vernachlässigende Erziehung, Flucht in die Mediensucht und andere Süchte, soziale und psychische Probleme und weitere Themen.

 

Der absente Schüler/die absente Schülerin hat ein geringes Selbstwirksamkeitserleben bezogen auf den Schulbesuch und den Schulerfolg.

Die allermeisten Schüler würden gern die Schule erfolgreich besuchen. Sie haben aufgrund ihrer Erfahrungen wenig Vertrauen in ihre Fähigkeiten, wenig Selbstwirksamkeitserleben. Dieses Gefühl macht es ihnen sehr schwer, etwas zu verändern, auch wenn der Leidensdruck sehr hoch ist. Das führt auch mitunter dazu, dass die Ursache für den Schulabsentismus oft erfolglos im Außen gesucht wird und man die Erfahrung macht, dass wenn diese Außenbedingungen verändert wurde, der Schulbesuch sich trotzdem nicht einstellt. Schulabsentismus ist aber immer ein Zusammenspiel zwischen inneren Prozessen und äußeren auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen. Wenn diesen inneren Prozessen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, kann keine gute Zielvereinbarung mit dem Schüler/der Schülerin getroffen werden. Diese muss auch immer Ich-bezogene Ziele enthalten. (Fachgruppe Schulabsentismus der Bezirksregierung Arnsberg, 2021)

 

Wichtige Aspekte beim Gespräch mit absenten Schülerinnen und Schülern

  • Sprechen Sie den Schüler/die Schülerin so schnell wie möglich auf den Absentismus an, am besten bereits nach dem ersten unentschuldigten Fehltag. Wenn eine Fehlentwicklung Zeit hatte, sich zu entfalten, ist eine Veränderung deutlich schwerer zu erreichen.
  • Bleiben Sie bei sich und betonen Sie ihre eigene Verantwortung: „Du bist mir nicht egal. Es ist meine Aufgabe, auf deinen Schulbesuch zu achten.“ Zeigen Sie Ihre Haltung auch in Ihrer Ansprache. Verwenden Sie eher „Ich will, dass du wieder zur Schule kommst“ statt „Du musst wieder zur Schule kommen.“
  • Lassen Sie sich kurz das Problem beschreiben.
  • Versuchen Sie nicht, Einsicht bei dem Schüler/der Schülerin zu erzwingen.
  • Fragen Sie nicht, ob der Schüler/die Schülerin zur Schule gehen möchte oder nicht. Es gibt eine Schulpflicht, die Frage stellt sich also nicht.
  • Versuchen Sie nicht, den Schüler/die Schülerin davon zu überzeugen, dass Schule ein guter Ort ist und dass Schulbesuch eine gute Sache ist. Das wird ggf. anders erlebt.
  • Informieren Sie den Schüler/die Schülerin über die von den Erwachsenen geplanten Maßnahmen.
  • Beteiligen Sie das Kind, soweit wie möglich, z.B. was die Sprachregelung in der Klasse oder die Aufarbeitung des versäumten Lernstoffs angeht. Aber: die Schulpflicht steht nicht zur Diskussion.

 

Motivierende Gesprächsführung

Motivierende Gesprächsführung eignet sich besonders gut für Gespräche mit Menschen, die in einer Ambivalenz in Bezug auf eine Entscheidung stecken. Der Berater begegnet dieser Ambivalenz mit einer akzeptierenden Haltung des aktiven Zuhörens und verstärkt gleichzeitig die Diskrepanz zwischen mehreren Zielvorstellungen des Klienten. Wichtig ist dabei, dass die Argumente für eine Veränderung vom Klienten selbst geliefert werden. So wird die intrinsische Veränderungsmotivation verstärkt. Anschließend wird durch konkrete Zielplanungen die Selbstverpflichtung gestärkt.

Mögliche Fragen bei der Motivierenden Gesprächsführung können folgendermaßen lauten:

  • Welche Vorteile entstehen für dich durch die Schulvermeidung?
  • Welche Nachteile entstehen für dich durch die Schulvermeidung?
  • Welche Nachteile hätte eine Veränderung?
  • Welche Vorteile hätte eine Veränderung?
  • Angenommen du wirst zwei Wochen zur Schule gegangen sein, was wird dir daran gefallen haben? Inwiefern wird es Dir besser gehen?
  • Wie attraktiv auf einer Skala von 1 bis 10 ist die Vorstellung, dass im nächsten halben Jahr alles so bleibt wie es ist?
  • Wie schätzt du deine Zuversicht, eine Veränderung zu schaffen, auf einer Skala von 1 bis 10 ein?
  • Was müsste passieren, damit du eine Stufe höher rutscht?

Gesprächsführung mit Eltern von absenten Schülerinnen und Schülern

Auch für Gespräche mit Eltern gilt, dass ein ordentliches Maß an professioneller Empathie das Gespräch erheblich erleichtern kann. Deshalb ist es sehr wichtig, sich vorab mit der Situation der Eltern auseinanderzusetzen, deren Kinder nicht zur Schule gehen.

Eltern von absenten Schüler*innen haben zahlreiche negative Gefühle vor Schulgesprächen

Es liegt auf der Hand, dass Eltern sich für das Verhalten ihrer Kinder verantwortlich fühlen. Das gilt in der Regel auch für Eltern, die ihre Verantwortung explizit negieren, indem sie das Kind für alt genug und selbst verantwortlich befinden. Verbunden mit dieser Verantwortung ist oft ein Gefühl von Schuld und Versagen angesichts der Schwierigkeiten des Kindes. Auch das Gefühl von Hilflosigkeit ist für Eltern schwer auszuhalten. Diese Gefühle führen zuweilen dazu, dass Eltern als Abwehr gegen diese unangenehmen Gefühle auf Angriff schalten und wiederum die Schule beschuldigen. Eine bessere Chance für einen günstigen Verlauf besteht in einer annehmenden respektvollen Haltung den Eltern und ihren Grenzen gegenüber. Aus dieser Haltung heraus kann eine größere Offenheit der Eltern und damit auch eine Bereitschaft zur Annahme von Hilfen erreicht werden.

Eltern von absenten Schülerinnen schämen sich oft

Wenn das Kind Probleme hat, sind Eltern immer im Fokus. Sie müssen sich nicht selten sehr private Fragen stellen lassen, deren Beantwortung zwar hilfreich sein kann, um die Strukturen und Interaktionsmuster des Absentismus zu verstehen, aber für die Eltern schambehaftet ist. Es braucht ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl und Geduld, aber auch Respekt vor der Privatsphäre der Eltern seitens der Lehrkraft, um ein gutes Miteinander zu gestalten

Wichtige Aspekte beim Gespräch mit Eltern von absenten Schüler*innen

  • Erfahrungsgemäß braucht ein gutes Gespräch ausreichend Zeit und einen geeigneten Raum, in dem man ungestört sprechen kann. Sorgen Sie dafür, dass beides vorhanden ist.
  • Wenn Sie Eltern für ein Gespräch gewinnen konnten, achten Sie auf die gleichmäßige Verteilung der Redeanteile. Was die Eltern zu sagen haben, ist gerade für die Erkundung der Ursachen und Bedingungen rund um den Absentismus wichtig. Deshalb sollten die Eltern dafür ausreichend Raum bekommen.
  • Auch eine gute Aufbereitung der Faktenlage ist wichtig (wann fehlt der Schüler, wie oft, in welchen Stunden…). Grundsätzlich gilt: je mehr über den Schüler bekannt ist, desto besser (Position in der Klasse, Leistungen in verschiedenen Fächern, familiäre Situation). (Kultusministerium Hessen, 2017)
  • Würdigen Sie die Eltern als Experten für ihr Kind. Fragen Sie die Eltern nach ihrer Sicht der Dinge und ihren Hypothesen.
  • Suchen Sie nach einer gemeinsamen Sichtweise und Hypothesen über zugrundeliegende und auslösende Faktoren. Es ist zentral, eine gemeinsame Sichtweise auf das Problem zu entwickeln, statt sich gegenseitig Schuld zuzuschieben. Grundsätzlich, aber vor allem wenn sich keine Gemeinsamkeit herstellen lässt, ist eine ziel- und lösungsorientierte Arbeit der Ursachen-/Problem-Fokussierung vorzuziehen. (Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken, 2015)
  • Schnell droht die Kooperation mit den Eltern verloren zu gehen, wenn man die Ursachen im Elternsystem sucht. Auch ist der Drang bei Eltern, sich mit dem vermeidenden Kind zu solidarisieren und die Schule als Druck von außen zu erleben, groß, vor allem wenn Eltern sehr eng mit dem Kind verbunden sind und ihre wesentliche Elternpflicht im Schutz des Kindes vor dem Druck der Schule sehen.
  • Wenn Gespräche mit Eltern schwierig zu werden drohen, lohnt es sich, die Schulsozialarbeit, Beratungslehrer oder den Schulpsychologischen Dienst einzuschalten.
  • Halten Sie im Gespräch die Balance zwischen Konfrontation mit Fakten, Empathie und Unterstützungsangeboten. (Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken, 2015)
  • Weisen Sie Eltern ggf. auf ihre Verantwortung hin, nämlich dafür zu sorgen, dass ihr Kind die Schule besucht.
  • Zeigen Sie Bereitschaft, auch innerhalb der Schule Verantwortung zu übernehmen, dass sich daran etwas verändert (z.B. Schaffung einer beruflichen Perspektive).

Zentrale Absichten und Strukturen des Gesprächs mit Eltern

 

1 Herstellen eines vertrauensvollen Kontaktes: freundlicher Beginn, Anlass des Gesprächs, Erläuterung des Gesprächsrahmens, Interesse, Sorge zum Ausdruck bringen, mögliches Ziel

2 Elternsicht erfragen: Gibt es Erklärungen? Sind diese plausibel? Sind bestimmte Entwicklungen zu Hause übersehen worden? Welche familiären Schwierigkeiten gibt es? Steigt bei einer erfolgreichen Bewältigung dieser die Chance auf Besserung? Informationen von den Elternteilen direkt bekommen, Informationen über die vergangenen Jahre/die Vorgeschichte gewinnen, Zeit und Chance geben, Hintergründe oder Schwierigkeiten zu nennen sowie konkrete Lösungsvorschläge zu machen.

3 Hinweise auf zentrale Hintergründe gewinnen (Familie, Peergroup, Motivation):  Zentrale Frage:  Warum gelingt es nicht, dass X regelmäßig die Schule besucht?

4 Das schulische Regelwerk und den Umgang mit Fehlzeiten eindeutig kommunizieren: Am besten per Informationsblatt. Eigene Beobachtungen mitteilen/Stellung beziehen/Begründen, eigene Schwierigkeiten und Sorgen ausdrücken, Regeleinhaltung einfordern, Konsequenzen auch bei entschuldigtem Fehlen (z.B. keine Notengebung möglich), Informieren über weitere Schritte der Schule, Verständnis äußern, soweit möglich.

 5 Eine Übereinkunft für die nähere Zukunft erzielen und schriftlich festhalten

Austausch und Abwägen der Zukunftsperspektive,  Vereinbarungen treffen. Wie kann es weitergehen? Was wird festgelegt? Ist das Einbeziehen anderer Personen(gruppen) hilfreich (Peers, Eltern, andere Lehrer/innen, Beratungslehrer/innen, Schulsozialarbeiter/-innen, Beratungsstellen) oder wurden diese bereits in Anspruch genommen? Vorschläge der Eltern immer aufgreifen, einen aktiven Beitrag der Eltern anregen/fordern, Ergebnisse verbal wiedergeben und dokumentieren.

 



Es hilft, wenn Eltern und Kinder sich willkommen fühlen.
Das schaffen Sie mit ein paar freundlichen Worten, aber auch Kaffee, Wasser und ein paar Kekse anzubieten schadet nicht.
Es handelt sich um einen Akt der Gastfreundschaft und sorgt dafür, dass die Eltern bzw. das Kind sich als Gäste behandelt fühlen, um die sich bemüht wird.